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  • AutorenbildSam

Kapitel 4 - Einsame Gegenden, gesellige Katzen

Von langen Fahrten auf entlegenen Pfaden, munteren Gesprächen, ohne dass man sich verstehen würde, stimmungsvollen Sonnenuntergängen und sehr nahen Begegnungen mit Grosskatzen.



Dienstag, 7. Dezember 2021

Masetleng Pan - Polentswa Campsite

Mit der Morgendämmerung werden wir wach, stehen auf und geniessen den Sonnenaufgang und die wunderbare Stimmung mit viel Vogelgezwitscher bei einer Tasse Kaffee.



Wir essen eine Kleinigkeit und bauen dann das Camp ab, brühen noch einen Kaffee für die Fahrt und zuckeln um 8 Uhr los.


Die Piste führt rund um die Masetleng Pan

Zuerst geht es einmal fast um die ganze Pfanne, ein paar Springböcke sind zu sehen und Kuhantilopen. Ein Raubadler (Tawny Eagle) steigt auf und kreist direkt über uns. So lässt sich das doch gut an.


Springbok Kitz an der Masetleng Pan
Weissflügeltrappe (w) (Northern Black Korhaan)

Es ist echt extrem einsam hier, die Piste ist schon ziemlich zugewachsen, viele Zweige peitschen gegen das Auto. Wir nehmen es sehr gemütlich, halten immer wieder an, bestimmen Vögel. Irgendwann sage ich zu Beenie, dass es nun aber mal an der Zeit wäre, eine Eule zu spotten, denn hier seien doch überall perfekte Eulenbäume. Wir fahren an einem so prädestinierten Exemplar vorbei, wir gucken angestrengt, ich sage «Nein, keine!». Der nächste Baum: «Nein!», der nächste ebenfalls: «Nein!» - und beim vierten: «Oh, da!». Tatsächlich sitzen zwei Fleckenuhus (Spotted Eagle Owl) im Baum - genau wie gewünscht und vorausgesagt. Gespür muss man haben!


Fleckenuhu (Spotted Eagle-owl)

Nach 25 km erreichen wir Ngwatle, eine kleine Siedlung mit weit gestreuten, kleinen Häusern und einer Primarschule. Eigentlich sollte es hier eine Zahlstelle geben für die Nutzung der Campsite und des Schutzgebiets, aber die verpassen wir. Am Abzweig, wo wir die Piste nach Zutshwa nehmen, werden wir von zwei älteren Damen aufgehalten. Sie rufen uns zu, sprechen aber kein Englisch und quatschen uns wegen irgendwas voll, es ist irgendwie eine ulkige Situation und ich plappere einfach auf Englisch zurück, frage, wie es ihnen geht und was sie so machen. Alle lachen und dann verstehe ich wenigstens das Handzeichen, als die eine nach einer Zigarette fragt. Ich zucke mit den Schultern und sage, dass wir keine haben und sie sagt ihr wohl einziges Wort, das sie auf Englisch kann: «Okay!»


Die Piste bis Zutshwa ist schön breit und gut präpariert für etwa 50 km, so dass wir zur Abwechslung für eine kleine Weile ganz gut vorankommen.


Dann geht es wieder südwestlich auf die Tiefsandpiste durch die KD2 WMA (Wildlife Management Area), am Dorfausgang befindet sich die Zahlstelle mit einst bedienter Schranke. Es gibt ein Schild, wo erklärt wird, wie das funktioniert, man schnappt sich einen Zettel mit den Gebühren drauf, schreibt sich ein und schiebt das Geld in eine am Pfosten angebrachte Box.



Die Fahrt durch das KD2 ist wunderschön, offene, grasbestandene Ebenen wechseln sich ab mit dichterem Busch, es geht um zahllose Ecken und über kleine Erhebungen, links, rechts, rauf, runter, vorbei an etlichen Steenbok, die wie immer zuerst einen kleinen Sicherheitsabstand gewinnen, wenn man sich nähert, und dann stehen bleiben und gebannt zu einem rüberschauen. Etwa in der Mitte der gut 70 km gelangen wir an die Jeff Morris Pan, wo wie aus dem Nichts auf einmal mehrere Raubadler (Tawny Eagle), Sekretäre (Secretary Bird), Ohrengeier (Lappet-faced Vulture), Weissrückengeier (White-backed Vulture), Nilgänse (Egyptian Goose) (!) und ein Marabu (Marabou Stork) auszumachen sind. Es befindet sich nämlich etwas Wasser in der Lehmpfanne und offenbar vermag das einige Spezialisten von weit her anzulocken.


Foto vergrössern und Tiere suchen

Kurz vor dem Kaa Gate kommen wir nochmals an eine Pfanne mit ordentlich tierischem Betrieb: sehr viele Oryx und etliche Gnus, Springböcke sowie wieder einige Raubadler (Tawny Eagle) sind da.


Am Kaa Gate selber herrscht Trostlosigkeit. Der arme Kerl von der Nationalparkverwaltung wirkt verlottert und vereinsamt, sein T-Shirt ist zerrissen und verdreckt und er riecht ziemlich streng. Das Leben hier draussen ist wohl wirklich kein Zuckerschlecken und gerade aktuell sind auch sehr wenige Gäste da, die um Einlass bitten würden; gemäss dem Registrierungsbuch sind wir seit unglaublichen acht Tagen die ersten, die hier im Norden in den Park fahren! Der Pförtner ist kurz angebunden, aber sehr nett, und wünscht uns gute Weiterfahrt, schon nach 5 Minuten rollen wir in den Kgalagadi Transfrontier Park.


Direkt nach dem Gate zweigt die Piste ab zum Polentswa Wilderness Trail, den man nur mit Permit befahren darf. Wir lesen die Wegweiser, gucken kurz dem Trail entlang und wollen gerade anfahren, als ich aus dem Augenwinkel einen verdächtig nach Löwe ausschauenden Kopf wahrnehme. Ein genaueres Hinschauen bestätigt: zwei prächtige, schwarzmähnige Männchen liegen auf der Kuppe unter einem Busch! Doch wie wir hinfahren, erschrecken sie etwas, springen auf und laufen ein paar Schritte davon, wir folgen kurz, machen ein Foto und fahren rückwärts an den Abzweig. Das nenne ich mal einen Auftakt nach Mass!


Schwarzmähnenlöwe mit krankem Auge, direkt nach der Einfahrt beim Kaa Gate

Es ist eine lange Fahrt, die 80 km durch den Tiefsand bis ins Nossob Trockenflussbett. Es geht auf und ab, die Zweige schlagen immerfort ans Auto, - auf und ab und auf und ab, immer wieder sehen wir einen Steenbok. Aber so langsam sind wir richtig müde, man mag gar nicht mehr immer nach Tieren Ausschau halten. Und doch: wir fahren gerade über eine Dünenkuppe, als wir zuerst einen Sekretär erschreckt davon flattern sehen - gleich darauf rennt ein Honigdachs vor uns weg! So schnell, wie er in unserem Blickfeld aufgetaucht ist, ist er auch schon irgendwo im Gestrüpp verschwunden, noch ehe ich meine Kamera schussbereit gehabt habe.


Ausblick von einer Kuppe über das grösste zusammenhängende Sandbecken der Welt

Irgendwann ist es dann doch geschafft und das hier sehr breite Nossob-Tal liegt vor uns, es ist erstaunlich grün, viel ganz frisches Gras treibt gerade aus dem Boden. Von den grossflächigen Buschbränden, die hier vor kurzem noch gewütet haben, sind nur sporadisch gut sichtbare Spuren auszumachen.


Kleinere Herden Springböcke kosten vom frisch spriessenden Gras in den Talebenen des Nossob-Trockenflusses

Die ersten beiden Autos, seit wir in den Park eingefahren sind, sehen wir beim Lijersdraai Wasserloch. Viele Springböcke sind schon in der Gegend angekommen, ein paar kleinere bis mittlere Herden Gnus ebenfalls.


Nach 259,60 km und langen, langen 10 Stunden 20 Minuten kommen wir um 18:20 Uhr endlich auf der wunderschön gelegenen Polentswa Campsite an. Kurz vor Sonnenuntergang kommt wie aus dem Nichts ein teils stark böiger Wind auf. Aber das Lager steht schon bald und wir kommen in den Genuss eines spektakulären Sonnenuntergangs über der Polentswa Pfanne.


Lagerplatz an der Polentswa Pfanne bei spektakulärem Sonnenuntergang

Zum Abendessen bereiten wir uns ein einfaches Gemüsecurry mit Reis, das zwar sauscharf ist (man sollte nicht einfach schweizerisch übliche Portionen von der Currypaste nehmen, wenn man die südafrikanisch produzierten Versionen nicht kennt…), aber saulecker schmeckt. Der Wind lässt gegen Buschmitternacht wieder etwas nach, rüttelt aber noch eine Weile lang immer mal wieder am Zelt. Mit dem so typischen, wunderbaren Konzert der Bellgeckos schlafe ich ein.


Daten des Tages

Tageshöchsttemperatur: 42° C

Tageskilometer: 259,6



Mittwoch, 8. Dezember 2021

Polentswa Campsite

Als ich in der Nacht einmal aufwache, ist es mucksmäuschenstill. Kein Lüftchen weht mehr, keine Grille zirpt, kein Kauz ruft, weder Löwe brüllt noch Hyäne lacht, es ist schon fast wieder beängstigend, derart still ist es.


Unser Gamedrive-Ritual wird gestartet: mit Sonnenaufgang aufstehen, Kaffee für die Thermobecher brühen, Dachzelt von Beenie einklappen und pünktlich zu «Toröffnung», im Dezember und Januar ist das schon um 5:30 Uhr, wird losgefahren.


Schabrackenschakal im ersten Morgenlicht, gleich bei der Ausfahrt vom Camp

Wir stellen uns zuerst ein paar Minuten an das Polentswa Wasserloch. Ein Schakal wuselt herum, auf ein paar Tauben, die zum Trinken angeflattert kommen, ist wie üblich Verlass, etwas entfernt äsen ein paar Springböcke. Es ist eine sehr friedliche Stimmung.


Raubadler (Tawny Eagle) - einer der meist vertretenen bzw. meist gesichteten Greifvögel in der südlichen Kalahari

Dann fahren wir südwärts in Richtung Nossob Restcamp, auch, weil wir Feuerholz kaufen wollen und die Aufhängung vom Reserverad hinten, die angebrochen scheint und sich auf der Rumpelfahrt gestern einmal gelöst hat, checken zu lassen. Kurz nach dem Abzweig zur Polentswa Campsite nehme ich links von mir eine Bewegung wahr und frage so mehr zu mir selber: «Was ist das da drüben? Springbö…? Oh, nein!, Geparde!»



Es sind deren drei, eine Mutter mit zwei halbwüchsigen Jungen. Irgendein anderes Tier gibt einen permanent schrillen Warnruf von sich und einer der jungen Geparden schickt sich in diesem Moment an, nachzusetzen. Es ist ein Löffelhund (Bat-eared Fox), die junge Katze rennt ihm halbherzig hinterher, gibt jedoch bald wieder auf und kehrt zu den anderen beiden zurück.



Sie sind unruhig, laufen hin und her, legen sich hin, stehen wieder auf. Mal entfernt sich die Mutter etwas auf der anderen Seite der Piste, die Jungen folgen etwas später.



Die drei präsentieren sich im besten Licht, nach ein paar Minuten ziehen sie alle nacheinander über die Ebene davon in Richtung der Dünen. Wir sind jetzt wach und natürlich sehr zufrieden.



Bis zum Nossob Restcamp gibt es dann keine aussergewöhnlichen Sichtungen mehr, ein paar Oryx, Gnus und Kuhantilopen treffen wir hier und da an.



Im neuen Shop, der Ende 2019 erstellt wurde, kaufen wir ein paar Sachen und Feuerholz, tanken voll und fragen die sehr nette und hilfsbereite Angestellte, ob sich jemand die Aufhängung anschauen könne. Da will sie sich gerne drum kümmern und jemanden vorbei schicken.


In der Day Visitor Area machen wir Pause, bereiten Tee und zaubern aus den Resten von gestern einen Fried Rice. Der diensthabende Chef-Ranger kommt kurz vorbei und schaut sich das Reserverad-System an; der Bolzen scheint tatsächlich zumindest angebrochen. Er will selber aber nichts reparieren lassen, weil es sich um ein Mietauto handelt. Wir sollen das klären und bei Bedarf nochmals auf ihn zukommen.



Ich spüle noch das Geschirr, quatsche kurz mit einem Südafrikaner über die aktuellen News aus dem Busch und über unsere noch anstehenden Reiseziele, danach machen wir uns auf den Weg zurück. Es ist wenig los, dafür haben wir eine für uns neue Greifvogelart gesichtet, einen Rötelfalken (Lesser Kestrel), der im selben Baum hockt wie drei Gleitaare (Black-winged Kite).


Zurück im Camp machen wir eine Pause, Lesen und Dösen im Zelt oder im Schatten. Ich schlage vor, uns für die Abendpirsch auch nur ans Polentswa Wasserloch zu stellen, um nicht wieder so weit fahren zu müssen. Doch Beenie möchte noch den Loop bei Lijersdraai fahren und sollte mit seinem Gespür für diesen Vorschlag goldrichtig liegen.


Beim langsamen dahin rollen schaue ich gerade bei mir auf der linken Seite auf einen kleinen Vogel, als Beenie das Zauberwort ruft: «Löwe!»


Gerade hat er sich aus dem Gebüsch auf die Piste begeben und dort hingelegt. Wir fahren ein paar Meter weiter und machen erste Fotos. Dann noch etwas näher und nun sehen wir, dass es mindestens drei Weibchen sind.



Jetzt sind wir ganz nah, die Katzen sehr neugierig, ich mache ein paar super Bilder. Eine der Löwinnen steht auf und kommt näher, die links im Gebüsch schaut lange und intensiv zu uns.



Dann sehen wir auch noch die vierte Löwin. Plötzlich sind wir mittendrin, sie laufen ums Auto, inspizieren es hinten am Heck, schnuppern und schauen auf die Scheiben, wohl, weil sie die Bewegungen von uns dahinter wahrnehmen. Wir filmen mit unseren Smartphones, bis eine Löwin mit dem Gesicht direkt am Seitenspiegel vor der Scheibe steht. Das ist dann doch zu nah und Beenie lässt den Motor an und setzt etwas zurück. Die Löwinnen legen sich hin, stehen auf, folgen ein paar Meter, dann legen sie sich wieder hin. Es ist einfach unglaublich.




Wir warten etwas und sehen dabei in der Ebene ein Eland auftauchen, das in Richtung des Lijersdraai Wasserlochs zieht. Eine der Löwinnen nimmt die Witterung auf und schaut intensiv hinüber zur grossen Antilope. Ich merke noch an, dass es die vier jungen Löwinnen doch nicht etwa mit einem Eland aufnehmen wollen, schon steht eine zweite Katze auf und nun gehen sie geduckt etwas ran, schalten auf Jagdmodus und schleichen sich an, versuchen, immer näher zu kommen. Eine dritte Katze macht mit, sie verteilen sich, die vierte bleibt sitzen und schaut ihnen die ganze Zeit zu. Das Eland merkt lange nichts, äst etwas und zieht dann wieder weiter, die Katzen kommen immer näher, setzen in den Trab, das Eland schreckt auf und galoppiert davon, zwei der Katzen hinterher. Aber sie sind zu weit weg, haben keine Chance und geben bald auf. Wow!


Das Eland, das entkam!

Wir sind völlig elektrisiert, zuerst wollen wir rückwärts fahren und so zum Hauptweg zurück zum Wasserloch. Dann lassen wir es kurz sacken, fahren noch in Ruhe um den Loop und dann vorwärts zum Lijersdraai, wo wir noch einen kurzen Moment warten und die Gegend abglasen. Es sind Springböcke da und eine tolle Abendstimmung herrscht.



Aber die Löwen sind nicht mehr zu sehen und das Eland ist auch schon wieder weg. Wir auch bald danach, denn wir müssen nun zurück fahren, um noch rechtzeitig wieder auf der Campsite zu sein.



Dort entfachen wir ein Feuer, auf dem wir nachher fantastische Sirloin Steaks braten, dazu gibt es selbstgemachten Kartoffelstock, eine Rotweinsauce und Foliengemüse.



Daten des Tages

Tageshöchsttemperatur: 38° C

Tageskilometer: 161,2 km





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