Von weiten Grasebenen und fossilen Flusstälern, grossartigen Katzensichtungen, unerwarteten Elefantenbegegnungen und noch unerwarteteren Lösungen der Gas-Problematik.
Dienstag, 21. Dezember 2021
Pünktlich zu einem spektakulären Sonnenaufgang sind wir wach. Wir packen unsere Siebensachen zusammen, schnappen unseren Kaffee und fahren sehr gemütlich dem ganzen Passarge Valley entlang.
Das fossile Flusstal ist teils sehr breit beziehungsweise von grossen, weiten Pfannen dominiert mit endlosen Grasebenen, teilweise durch Schirmakazien bestandene Baumgruppen und ab und zu etwas niedrigerem Dornbusch durchwachsen.
Immer wieder treffen wir auf grössere Gruppen Oryx - das kennen wir so aus der südlichen Kalahari und Namibia noch gar nicht - und mittelgrosse Springbockherden, ab und zu auch einige Gnus.
Zudem machen sich sehr viele Weissflügeltrappen (Northern Black Korhaan) lautstark bemerkbar, einige davon flattern beim Vorbeifahren auch blitzschnell einige Meter hoch, um sich nachher zurück auf den Boden plumpsen zu lassen.
Eine Kurzhaubenlerche (Rufous-naped Lark) hockt in einem Busch direkt neben der Piste, ich mache Fotos und bestimme auf dem iPad konzentriert die neue Vogelart, als Beenie lapidar meint: «… und sonst hätten wir hier hinten auch noch einen Gepard!»
Eine Herde Oryx hat ihr Verhalten verändert, wurde nervöser und guckt immer in eine bestimmte Richtung, so dass mein Bruder die Katze im hohen Gras recht weit hinten am Rande der Ebene entdecken konnte. Einen zweiten etwas weiter links, ebenfalls gut im gelben Gras versteckt, können wir kurz darauf auch noch ausmachen. Die Oryx stehen ihnen die ganze Zeit gegenüber und machen einen «Stare down»-Wettbewerb daraus, wer schlussendlich als Sieger hervorgegangen ist, können wir nicht vermelden, da wir dann mal weiterfahren.
Ausser immer noch ordentlich viel Wild sind auf der weiteren Fahrt keine besonderen Sichtungen zu erwähnen. Die Piste biegt ab in südliche Richtung, ein gutes Stück davon wieder durch dichtesten Busch.
Zuerst kommen wir an der Leopard Pan vorbei, dann folgt nochmals ein verbuschter Abschnitt, gleich darauf die noch grössere Sunday Pan. Grad am Anfang dieser Lehmpfanne hat es ein Wasserloch, das von einer Baumgruppe umstanden ist. Von dort sind es noch knapp 800 m zu unserer Campsite, welche leicht erhöht auf einem Dünenkamm liegt und einen nicht ganz offenen, aber schönen Blick über die Pfanne bietet.
Wir richten unser Camp ein und Beenie hackt mit der Axt den Zugang zum Plumpsklo frei, da ein Elefant einen grösseren Busch praktisch direkt in den Eingang gedrückt hat (Elefant? Hier? Mehr dazu später...). Derweil mache ich ein Feuer für einen Kaffee und da kommt uns die Idee, dass wir das Beef Stew für heute Abend auch bereits vorkochen können, wenn das Feuer schon mal gerade brennt. So können wir später zum Wasserloch runterfahren und brauchen anschliessend das Abendessen nur noch aufzuwärmen.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit einem «Stadt-Land-Fluss», einer Partie Würfel und Geschirr spülen.
Kurz nach halb vier finden wir, dass wir gerade so gut auch am Wasserloch rumhängen können und dort schon eher Tiere zu sehen sein könnten als hier auf der Campsite. Kaum sind wir da: Elefant!
Ja, tatsächlich, seit einigen Jahren soll es im nördlichen Teil der Zentralkalahari wieder rund 120 Elefanten geben. Es ist ein mächtiger Bulle, der uns sofort zu verstehen gibt, wer hier der Chef am Platz ist. Wir fahren etwas weg, um ihm etwas mehr Raum zu geben, dann zieht er gemächlich von dannen.
Wir stellen uns in guter Position hin und konzentrieren uns auf die Vögel am Wasser. Ein starker Wind kommt auf. Gerade gucke ich wiederholt zu einem Wasservogel durch das Fernglas, den wir nachher als Bruchwasserläufer (Wood Sandpiper) identifizieren, als plötzlich eine Löwin beim Trinken in meinem Sichtfeld auftaucht. Eine zweite kommt kurz darauf dazu. Es sind zwei beeindruckend grosse, starke Weibchen und beide sind sie trächtig.
Nachdem sie getrunken haben, folgen wir ihnen ein Stück, ein paar Regentropfen fallen. Sie bewegen sich sehr langsam und entspannt, in einem Gebüsch 200 m weiter hinten legen sie sich hin, stehen wieder auf, ziehen ganz langsam weiter. In einem Strauch direkt neben der Piste legt sich die eine hin und guckt mir direkt in das Objektiv.
Dann wechseln sie die «Strassen»-Seite und entdecken eine Giraffe, die weiter draussen vorbeizieht. Die Löwinnen gucken kurz interessiert hin, legen sich dann aber wieder auf den Boden.
So fahren wir zurück zum Wasserloch, wo wir noch eine Weile stehen und warten.
Ich schreibe etwas in meinem Tagebuch, als eine weitere Löwin, ebenfalls trächtig, aus den Büschen auftaucht und trinken will. Sie läuft längere Zeit um das Wasserloch herum, trinkt dann und legt sich anschliessend etwas abseits hin. Sie wirkt etwas unruhiger als die anderen beiden zuvor, ruft (was wir aber wegen dem Wind nicht hören), guckt immer wieder in eine bestimmte Richtung. Wohl ist sie auf der Suche nach ihrem Rudel. Dann zieht auch sie von dannen.
Wir drehen noch eine kurze Runde auf den Wegen rund um das Wasserloch, dann wird es Zeit für uns, auf die Campsite zurückzukehren. Dort entfachen wir ein neues Feuer, wärmen das Beef Stew, welches eigentlich absolut herrlich gelungen wäre, leider aber ist das Fleisch aus Ghanzi ziemlich zäh.
Über der Pfanne bildet sich mal wieder ein wunderschöner Sonnenuntergang.
Blöderweise schwirren aber ekelhaft viele Insekten um uns herum und vor allem auch an uns ran, so dass wir nach dem Essen ganz hurtig in unseren Zelten Zuflucht suchen. Es herrscht aber eine extrem friedliche Stimmung da draussen.
Daten des Tages
Tageshöchsttemperatur: 34° C
Tageskilometer: 78,5 km
Mittwoch, 22. Dezember 2021
Sunday Pan Campsite #04
Um 5:50 Uhr starten wir zum heutigen Gamedrive, zuerst fahren wir runter zum Wasserloch, wo aber nicht viel los ist.
Dann fahren wir den Loop um die Leopard Pan. Das ist eine schöne Runde, wir sehen etliche Oryx, Springböcke und ein paar Gnus. Auch wieder sehr viele Weissflügeltrappen (Northern Black Korhaan), die überall über die Ebenen verteilt sind und immer wieder mit lautem Gegackere auf sich aufmerksam machen.
Gegen Ende des Loops entdecken wir frische Spuren auf der Piste, in etwa Grösse Gepard oder Leopard - da zuvor wir darauf gefahren sind und in entgegengesetzter Richtung ein anderes Fahrzeug, müssen sie wirklich sehr frisch sein. Leider aber eben in die falsche Richtung, das haben wir wohl recht knapp verpasst.
Durch das ganze Gegucke und Analysieren der Spuren verpassen wir irgendwie die richtige Abzweigung zurück zur Sunday Pan und dem Wasserloch, so dass wir auf der Piste zum Deception Valley landen. Daher fahren wir halt eine etwas grössere Runde.
Im berühmten Deception Valley hat es viele, viele Springböcke, grössere Oryx-Gruppen, Trappen und einen neuen Greifvogel können wir ebenfalls bestimmen, eine Froschweihe (African Marsh Harrier). Ein Schwarzbrust-Schlangenadler (Black-chested Snake Eagle) kreist über unseren Köpfen.
Auch wenn die ganz spektakulären Sichtungen ausgeblieben sind, war das ein sehr schöner, entspannter Gamedrive. Die Zentralkalahari weiss wirklich zu gefallen, naturnaher geht eigentlich nicht mehr, die Abgeschiedenheit ist schier nicht zu fassen, hier erlebt man echte Einsamkeit und eine echt schöne Umgebung.
Um 10 Uhr sind wir zurück, machen Feuer und wärmen das Beef Stew und machen uns Pasta dazu. Anschliessend gibt es eine ordentliche Runde Abhängen im Zelt oder Tagebuchschreiben am Campingtisch.
Unser Nachbar von Campsite #3 kommt vorbei zu einem Schwatz. Karl-Heinz aus Deutschland ist mit seiner Frau Anne während neun Wochen unterwegs und wir unterhalten uns sehr nett und tauschen eine gute halbe Stunde lang ein bisschen Afrikalatein aus.
Irgendwann kommen wir zu unserer Story mit den Gasflaschen und der flotte Kerl bietet doch tatsächlich sofort an, eine von seinen angebrauchten von ihrem Buschcamper uns zu geben und dafür eine von unseren leeren mit zu nehmen. Das nehmen wir natürlich dankend an und ich gehe mit ihm zu ihrer Campsite rüber, wo wir den Flaschentausch vollziehen. So macht man das im Busch - wir sind sehr dankbar und machen gleich mal noch einen schönen, leckeren Kaffee.
Mit diesem im Thermobecher fahren wir gegen 16:30 Uhr runter zum Wasserloch und stellen uns wieder hin. Allerdings ist rein gar nichts los, zwei Schakale kommen vorbei, ein paar Vögel natürlich. Das war es auch schon, zweieinhalb Stunden stehen wir da und warten und gucken. Aber das ist natürlich alles sehr friedlich und gechillt, wir spielen Scrabble auf dem iPad und labern Blödsinn.
Zurück auf der Campsite machen wir ein Feuer und kochen uns ein Gemüsecurry mit Reis. Wieder hat es unangenehm viele Insekten, die über uns herfallen, so dass wir nur noch kurz am Feuer sitzen bleiben.
Daten des Tages
Tageshöchsttemperatur: 32° C
Tageskilometer: 56,4 km
Donnerstag, 23. Dezember 2021
Um 5:20 Uhr werden wir von starken Fallwinden geweckt, die an unseren Zelten rütteln. Schnell räumen wir Feuerholz und Campingstühle ins Trockene und verkriechen uns wieder ins Zelt, wo wir bis etwa 7 Uhr liegen bleiben. Das Gewitter zieht aber nicht direkt über unsere Köpfe hinweg, es regnet etwas, ansonsten werden wir verschont.
Dann bauen wir unser Camp ab, beim Einpacken meines Zeltes greife ich um ein Haar in einen Skorpion. Das war echt saumässig knapp, vielleicht 10 oder 20 cm haben gefehlt - und es ist einer von diesen weisslich-gelben. Das wären drum glaube ich die, von denen man ganz bestimmt nicht gestochen werden will, schon gar nicht in so einer abgelegenen Gegend, wo das nächste Krankenhaus mehrere Hundert Kilometer entfernt ist...
Wir fahren los, nehmen es sehr gemütlich, drehen in der Pfanne noch eine Extrarunde zurück zum Wasserloch und dann geht es wieder in südlicher Richtung ins Deception Valley.
Säugetiere sind nicht allzu viele zu sehen, einige Kuhantilopen, Springböcke, Oryx. Wir bestimmen weiter Vögel, nehmen uns auch mal Zeit, bis wir den richtigen haben. Wenn man aus dem «Wald» zwischen der Sunday Pan und dem Deception Valley rauskommt, öffnet sich die weite, ganz flache Ebene des fossilen Flusstals. Die Landschaft gefällt mir hier am besten. Das Gras ist nicht so hoch hier und man hat einen fantastischen Überblick.
Beim Abzweig zu den Kori Campsites sehen wir einen Abdimstorch (Abdim’s Stork) und es hat in der Gegend hier sehr viele Riesentrappen (Kori Bustard) und einige Schwarzmilane (Black Kite).
Wir wollen zuerst noch etwas in Richtung der Deception Pan fahren, aber auf der Piste hat es teils lange, schlecht einschätzbare Pfützen, hier hat es wohl etwas stärker geregnet heute Morgen. Wir drehen lieber um und wollen zurück auf die Campsite fahren, als uns nochmals Karl-Heinz und Anne entgegen kommen. Wir halten nebeneinander an und schwatzen gemütlich.
Unsere Campsite Kori #4 ist sehr schön gelegen am Rand des Tals und bietet eine gute Übersicht. Zum Brunch wärmen wir uns den Reis von gestern, dazu gibt es Knäckebrot und Käse.
Nach einer Partie Würfeln und dem Geschirrspülen bauen wir mein Zelt auf und bereiten dann schon den Sugo vor für das Abendessen.
Etwas nach 16 Uhr machen wir uns auf die Socken für einen Gamedrive und fahren über die Ebene, so weit es halt geht mit den Pfützen.
Wir entdecken dann aber zwei kleinere Loops, die wir fahren können. Auf dem zweiten im nördlicheren Bereich zwischen den Kori und den Deception Campsites im dichten Busch entdecken wir eine Graurückendommel (Dwarf Bittern), die sich schön auf einem Ast präsentiert.
Zurück in den offenen Talebenen äsen viele Springböcke und Oryx, das Licht wird immer besser.
Wir stellen uns eine Weile hin auf die «Kreuzung» und sinnieren, in welche Richtung es gehen soll. Es wird dann die nördliche, ich Fotografiere ein paar Springböcke und Oryx und wir fahren langsam so dahin, als ich in etwa 200 m Entfernung eine Katze erblicke.
Ich: «Gepard!»
Beenie: «Aaach was, sicher nicht!»
Er wollte es grad als Steinböckchen abtun, als er mit dem Fernglas doch noch hinschaut und ruft: «Karakal!»
Und tatsächlich, nun erkenne ich es auch als das, was es ist. Wir können die Katze kurz beobachten, sie bewegt sich rechts von uns weg. Etwa 45 - 60 Sekunden lang sehen wir sie immer wieder für einen kurzen Augenblick zwischen Gras und Büschen, dann ist sie auch schon wieder weg. Beenie ist ganz aufgeregt, auch ich bin sofort elektrisiert. Die insgesamt erst dritte Sichtung überhaupt, aber noch nie für so «lange».
Wir fahren noch 200 - 300 m weiter, informieren die Leute in einem entgegen kommenden Auto und drehen dann auch wieder. Wir fahren ganz langsam vorbei, gucken immer wieder, ob der Luchs nochmals auftaucht. Den Gefallen tut er uns aber nicht, aber egal. Einfach einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nie bewahrheitet sich das wie bei solchen Sichtungen. Die Familie im entgegenkommenden Auto hat die Katze um vielleicht 3 Minuten verpasst und keine Chance mehr gehabt, sie zu sehen. So schnell geht das.
Langsam schippern wir zurück. Kurz vor der Campsite ist das hohe Gras superschön in goldenes Licht getaucht, die Schirmakazien im Hintergrund tun ihr Übriges für ein klischiertes Bild von der gewaltigen Schönheit der Natur Afrikas (Titelbild dieses Kapitels).
Wir machen ein Lagerfeuer und kochen unsere Spaghetti. Nach dem Essen gelingt mir noch ein tolles Foto von unserem Camp, uns und den Sternen im Hintergrund. Dann aber verschwinden wir schnell wieder im Zelt, die Insekten lassen einen keine Sekunde in Ruhe.
Daten des Tages
Tageshöchsttemperatur: 35° C
Tageskilometer: 57,3 km
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